11. Der Kult im Mittelpunkt
Der Kult im Mittelpunkt
Der Kult im Mittelpunkt
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Für Isidor von Sevilla leitet sich der lateinische Name der Etrusker, „Tusci“, direkt vom griechischen Verb „opfern“ („thusiazein“) ab. Ein Ritualprozess, der geeignete Räume erforderte. Daher wurden für den Kult bestimmte Orte reserviert, sowohl innerhalb und in der Nähe der Städte als auch an besonderen Orten wie Quellen, Bergpässen oder Nekropolen. Damals wurden Altäre normalerweise im Freien errichtet und waren die einzigen wesentlichen Elemente für Riten und Opfergaben. In diesem Kontext dient das Modell des Tempels aus Ton, dass wir vor uns sehen, nicht als Versammlungsort mit Altar, sondern als Verwahrungsort von Götterbildern, Opfergaben und wichtigen und kostbaren religiösen Objekten.
Das Terrakotta-Modell ist selbst eine Votivgabe und stammt aus einem heiligen Gebiet in der Nähe des Nordtors von Vulci, direkt außerhalb der etruskischen Stadt. Es handelt sich um eine Nachbildung eines Tempels mit einem einzigen Raum, dessen Wände außen von Halbsäulen mit Kapitellen mit pflanzlichen Motiven, die dem korinthischen Stil ähneln, gegliedert sind. Der dreieckige Bereich der beiden Giebel ist geschlossen, und der vordere Giebel ist mit einem Relief verziert, das ein Paar junger Figuren zeigt, die liegend dargestellt sind: Dionysos (links) und Ariadne, nackt und von hinten (rechts). Auf dem schrägen Dach ist ein Dachdeckungssystem aus Ziegeln zu sehen, die in sogenannten Antefixen enden, die in Form von Palmetten gestaltet sind.
Die vom römischen Schriftsteller und Architekten Vitruv als „Tuscanici“ definierten typischen etruskischen Tempel, waren anders als in dem hier dargestellten Modell, was vor allem den Grundriss und die architektonischen Dekorationen betrifft. Es handelte sich um Gebäude, die aus einem dreigeteilten Raum bestanden und an der Vorderseite eine tiefe Säulenreihe hatten, außerdem blieb der dreieckige Bereich des Giebels offen, und die Terrakotta-Reliefs schmückten nur die Enden der Balken.
In den heiligen Stätten gewährleisteten die Priester das richtige Verhältnis zwischen Menschen und Göttern, indem sie die notwendigen Zeremonien abhielten, um zu verstehen, wie man handeln musste, um mögliche negative Folgen vermeiden zu können. Insbesondere interpretierten die Auguren den göttlichen Willen, indem sie den Flug der Vögel beobachteten, während hingen die Haruspex für das Deuten der göttlichen Zeichen zuständig waren, die sich in den Eingeweiden der geopferten Tiere zeigten, wie im Fall der berühmten Leber von Piacenza, von der wir hier eine Kopie aus Kunstharz bewundern können.
Das Original ist eine Bronzereproduktion einer Schafleber, auf der die Lappen und drei anatomische Vorsprünge auf der Vorderseite deutlich erkennbar sind: ein rundlicher (der processus papillaris), ein spitzer (der processus pyramidalis) und die Gallenblase. Die Rückseite ist in zwei große Bereiche unterteilt, mit Widmungsinschriften an Tiu (den Mond) und Usil (die Sonne). Das bekannteste Merkmal der Leber ist die Unterteilung der Vorderseite in 38 „Felder“, in denen in etruskischer Sprache 51 Namen von Gottheiten eingetragen sind: 6 Felder sind auf dem linken Lappen, 8 auf dem rechten Lappen, 4 auf der Gallenblase und 4 in der Mitte. Schließlich gibt es 16 Felder auf einem „umlaufenden Band“. Diese Zahl entspricht nicht zufällig den 16 „Himmelsplätzen“, die die Etrusker den Göttern zuwiesen. Man glaubte, dass man eine Übereinstimmung zwischen dem Universum und der Leber herstellen konnte, indem man Anomalien wie Missbildungen oder Flecken auf dem Organ identifizierte. Man musste einfach die Felder der Leber richtig identifizieren, um die Identität des „göttlichen Senders“ zu erkennen und so seine Botschaft entschlüsseln zu können.
Im Tempel wurden stattdessen die Votivgaben aufbewahrt. Zu den häufigsten Opfergaben gehörten Dinge, die als angenehm oder angemessen galten, wie zum Beispiel Statuetten von Opfern, Tieren und Göttern, wie im Fall der Statuetten von Menerva und eines Haruspex, die wir ebenfalls in der Vitrine vor uns finden können. Die etruskische Göttin, das Äquivalent der römischen Minerva (der griechischen Athena), trägt ein langes leichtes Gewand, über dem sie einen schwereren Rock trägt, der an den Hüften gerafft oder mit einem Gürtel gehalten wird. Die Göttin zeigt ihre klassischen Attribute mit der Ägis auf der Brust, einer unverwundbaren Rüstung, die die Form einer Rüstung hat, und einem korinthischen Helm, mit hochgestellten Wangenschutzklappen. Ihre Füße sind nackt. Ursprünglich hielt ihre linke Hand ein Schild und die rechte eine Lanze, die beide heute verloren sind.
Wenn wir dann die bronzene Figur des Haruspex daneben betrachten, können wir feststellen, dass die Form der Statue mit einer spitzen Kopfbedeckung, die unter dem Kinn gebunden ist, und einem schweren Mantel, der mit einer großen Fibel geschlossen ist, schematisch und länglich ist, typisch für etruskische Votivfiguren „in Bandform“. Außerdem deutet der Kelch in seiner rechten Hand möglicherweise auf die Durchführung eines Rituals hin. Normalerweise konnten diese Gegenstände nach ihrer Hinterlegung nicht mehr aus den heiligen Bereichen entfernt werden und neigten dazu, sich mit der Zeit anzusammeln, wodurch die sogenannten Votivdepots entstanden. Die wertvollsten Geschenke wurden jedoch nicht verborgen und bildeten den „Schatz“ von Tempeln und Heiligtümern, doch da sie bei Bedarf entnommen oder regelmäßig während Kriegen und Konflikten geplündert wurden, sind sie oft verloren gegangen. Daher geben uns die Ausgrabungen vor allem die Votivmaterialien aus Terrakotta zurück, von denen wir ein Exemplar eines weiblichen Votivkopfs in der letzten Vitrine des Halbkreises auf unserer linken Seite bewundern können. Wir erreichen sie, indem wir ein paar Schritte in dieselbe Richtung machen und die direkt benachbarte Vitrine hinter uns lassen. Die Haare sind gewellt und in zwei Strähnen durch einen Mittelscheitel getrennt und scheinen von einer Haube oder einer glatten Kappe verdeckt zu sein, die den oberen Teil und die Rückseite des Kopfes bedeckt. Das Gesicht hat eine breite und eckige Struktur mit einer weiten Stirn, dünnen Augenbrauen, großen Augen mit gut definierten Lidern, einer geraden Nase mit gebrochener Spitze, fleischigen Lippen und einem ausgeprägten Kinn. Der Hals ist kräftig und ruht auf einer niedrigen runden Basis. Ursprünglich war der Kopf wahrscheinlich ganz oder teilweise bemalt, doch die Farbe ist heute leider verschwunden.
Nach diesem kurzen Voranschreiten bewegen wir uns ein paar Schritte nach rechts, um die Originalantefixe in der vorletzten Vitrine des Ausstellungsrunds zu betrachten, die unseren Besuch abschließen wird.